Allgemeine News

Meinungsäußerungsfreiheit: (ausnahmsweise) Vorrang vor Werknutzungsrecht

+

Im Medien und Kommunikationsbereich kommt es oft zu Kollisionen zwischen Grundrechten. In diesen Fällen obliegt es den Gerichten zu entscheiden, welchem Recht im konkreten Fall der Vorrang gebührt. Meistens stoßen in Streitfällen das Recht auf freie Meinungsäußerung einerseits und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens andererseits aufeinander.

Seltener müssen die Gerichte die Meinungsäußerungsfreiheit und einen Eingriff in urheberrechtliche Werknutzungsrechte gegeneinander abwägen. Vor dieser Aufgabe stand der OGH vor Kurzem in einem Unterlassungsverfahren des Freiheitlichen Parlamentsklubs gegen einen Verein, der auf seiner Facebook-Seite mit dem Text „Nie wieder Faschismus! Demo gegen Corona-Leugner und FPÖ“ zu einer (Gegen-)Demonstration aufgerufen hatte. Dabei verwendete dieser Verein ein Foto des Klubobmanns der FPÖ, Herbert Kickl samt der Ankündigung von Kickl, dass er an der Coronademo am Sonntag teilnehmen wird. Die Rechte an diesem Foto standen dem klägerischen Parlamentsklub der FPÖ zu. Der beklagte Verein, der das Foto ohne Zustimmung des Fotografen und auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers (Parlamentsklub) veröffentlicht hat, wendete gegen die Klage unter anderem ein, dass es sich um ein zulässiges Bildzitat und somit eine freie Werknutzung handelt und berief sich des Weiteren auch auf die Meinungsäußerungsfreiheit. Nachdem der beklagte Verein in erster Instanz noch verloren hatte, hat er dann in zweiter Instanz gewonnen und wurde diese Entscheidung vom OGH bestätigt. Ausschlaggebend für den OGH war, dass der beklagte Verein mit seiner Veröffentlichung auf Facebook, bei der das Foto von Herbert Kickl verwendet worden ist, direkt auf den Demonstrationsaufruf des Parlamentsklubs der FPÖ reagiert hat und sich damit kritisch auseinandergesetzt hat. Damit hat der Verein laut OGH nicht nur sein Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt, sondern „eine grundrechtlich ebenfalls geschützte Gegen-Demonstration vorbereitet“.

Der OGH gelangte zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung „ohne Eingriff in das Urheber- oder Leistungsschutzrecht“ nicht oder nur unzulänglich ausgeübt wird. Dementsprechend war wegen der Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung durch den beklagten Verein die Veröffentlichung des Fotos als Zitat gerechtfertigt. In der Praxis ist aber zu beachten, dass diese Entscheidung kein Freibrief für Eingriffe in Werknutzungsrechte ist.

Dieser Beitrag wurde am 25.11.2022 in dem Magazin "HORIZONT" veröffentlicht.

Autor