Allgemeine News

Zuzug aus Drittstaaten zu Ausbildungszwecken? Globalisierung nutzbar machen – eine Ansichtssache

+

Als im Fremdenrecht tätiger Rechtsanwalt begegnet man vielfach individuellen Schicksalen, die naturgemäß emotionalisieren und an vielen Stellen Unverständnis und Enttäuschung der Betroffenen zumindest verstehbar, oftmals nachdenklich machen. Nicht alle Anliegen sind berechtigt und durchsetzbar. Viele davon schon. Unbehagen stellt sich aber immer dann ein, wenn die Gründe, wegen denen diese Anliegen versagt bleiben, zwar rechtlich, nicht aber gesellschaftspolitisch nachvollziehbar erscheinen. An vielen Stellen fehlen gesetzliche Regelungen, die eine – vernünftig gesteuerte – Zuwanderung ermöglichen. Potential von Bürgern aus Drittstaaten wird leider vielfach auf Basis der bestehenden Gesetzeslage nicht genutzt.

Immer deutlicher entfacht sich die Diskussion der demografischen Entwicklung und deren Folgen für die Gesellschaft. Das ist medial zwar derzeit sehr präsent, keineswegs aber neu, auch wenn seit Jahren nicht nachhaltig entgegengesteuert wird. Die demografische Entwicklung spiegelt sich in der Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere im Fachkräftemangel, wider. Angesichts der immer weiter fortschreitenden Globalisierung, die sich nicht leugnen lässt, wäre es erstrebenswert, die sich aus einer Zuwanderung ergebenden Vorteile für die Gesellschaft zu nutzen und eine solche gezielt zu fördern.

Am Beispiel der Lehrlingsausbildung lässt sich dies gut präzisieren.

Die politischen Diskussionen und Vorschläge im Hinblick auf eine Erleichterung der Zuwanderung für Schlüsselkräfte, Hochqualifizierte und in Mangelberufen Ausgebildete gehen zwar in die richtige Richtung und haben zu sinnvollen Gesetzesänderungen geführt. Diese gehen jedoch weitestgehend von einer Zuwanderung nach absolvierter Ausbildung aus. Der Antritt einer Lehrausbildung in Österreich ermöglicht in der Regel jedoch eine Zuwanderung nicht.

Trotz mehrfacher politischer Versuche, eine „Aufenthaltsbewilligung - Lehrling“ ins Leben zu rufen, die vergleichbar mit einer „Aufenthaltsbewilligung-Schüler“ ausgestaltet werden könnte, hat es eine entsprechende Gesetzesänderung bis heute nicht gegeben - Bürger aus Drittstaaten erhalten für eine Lehre keinen speziellen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz („NAG“).

Voraussetzung für die Absolvierung einer Lehre als Drittstaatsangehöriger und die diesbezügliche Beschäftigungsbewilligung ist ein bereits bestehender Aufenthalt in Österreich: Eine Beschäftigungsbewilligung für einen ausländischen Lehrling ist nach § 4 Abs 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes („AuslBG“) nämlich lediglich dann zu erteilen, wenn die Lage auf dem Lehrstellenmarkt dies zulässt (Arbeitsmarktprüfung), keine wichtigen Gründe hinsichtlich der Lage und Entwicklung des übrigen Arbeitsmarktes entgegenstehen und die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Ziffer 1 bis 9 AuslBG vorliegen. Entscheidend für die gegenständlich relevante Thematik ist Ziffer 1 dieser Bestimmung, nach der eine Beschäftigungsbewilligung neben einigen weiteren Ausnahmefällen insbesondere voraussetzt, dass der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder dem Fremdenpolizeigesetz 2005, verfügt, das die Ausübung einer Beschäftigung nicht ausschließt, oder seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und über einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht verfügt.

Ein Zuzug zum Zweck der Absolvierung einer Lehre in Österreich ist dabei vom Gesetzgeber bislang nicht vorgesehen – möglicherweise aus der Angst heraus, dieser Aufenthaltstitel könnte als Hintertüre für einen zunächst rechtmäßigen, später jedoch illegalen Aufenthalt in Österreich führen. Ein Unterschied zu anderen Aufenthaltstiteln ist diesbezüglich jedoch nicht erkennbar.

Es ist nicht zu verstehen, aus welchem Grund ein Zuzug unter klar festzulegenden, gezielt steuernden, Bedingungen nicht auch für eine Lehrausbildung in Österreich möglich sein sollte. Dies umso mehr, wenn es sich um eine Ausbildung in einem Mangelberuf handelt. Im Idealfall könnte damit die demografisch entstandene Lücke gefüllt werden. Diese Lücke ist nicht nur das Resultat einer gescheiterten Zuwanderungs- und Asylpolitik, sondern insbesondere auch die Folge eines jahrzehntelangen konsequenten Wegsehens und Ignorierens der demografischen Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren weiter zuspitzen wird, wenn keine gezielte Zuwanderung stattfindet. Die inzwischen mehrheitlich etablierten Familienstrukturen werden voraussichtlich zu keiner Änderung der Situation führen – wer kann sich schon mehr als zwei Kinder leisten und vor allem: wer möchte das heutzutage schon, wenn überhaupt noch ein Kinderwunsch besteht?

Die Anzahl der zuziehenden Lehrwilligen ließe sich ohne weiteres etwa dadurch steuern, dass eine Beschäftigungsbewilligung für Lehrlinge erst nach einer entsprechenden Arbeitsmarktprüfung erteilt würde und die Zuwanderung hiervon abhängig gemacht werden würde. Für im Inland aufhältige Drittstaatsangehörige ist eine solche Arbeitsmarktprüfung für den Antritt einer Lehrstelle – wie dargestellt – bereits jetzt vorgesehen. Insbesondere für Ausbildungsberufe, in denen Lehrbetriebe händeringend nach Lehrlingen suchen, wäre ein Zuzug geeigneter Lehrlinge ebenso im Interesse Österreichs, wie deren Verbleib nach Lehrabschluss, nach erfolgreicher Integration sollten ausreichend Anreize hierfür bestehen (was auch für in Österreich ausgebildete Schüler und Studierende zutrifft).

Vor dem Hintergrund, dass die die gezielte Zuwanderung zum Zweck der Absolvierung einer Lehrausbildung in Österreich für Österreich nur vorteilhaft wäre, wäre aus meiner Sicht die gesetzliche Verankerung eines derartigen Zuzuges durch Schaffung einer „Aufenthaltsbewilligung-Lehrling“ dringend notwendig. Dies könnte insbesondere dazu beitragen, das bestehende Defizit am Arbeitsmarkt auf diesem Sektor zu verringern. Für Rechtsanwälte sind der Kreativität hier leider Grenzen gesetzt, die in der Hand des Gesetzgebers liegen.

AUTOR