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'Menschlich miserable Kinderärztin': Zulässige Bewertung?

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Online-Bewertungsplattformen sind für Konsument: innen ein wichtiges Hilfsinstrument auf der Suche nach Waren und Dienstleistungen. Da eine allzu negative Bewertung oft gravierende wirtschaftliche Folgen für die bewertete Person oder das bewertete Unternehmen haben kann, stellt sich regelmäßig die Frage nach den rechtlichen Grenzen.

Da eine Bewertung grundsätzlich im rechtlichen Sinne eine Meinung darstellt, ist im Streitfall zu prüfen, ob mit der Bewertung die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit überschritten wurden. Kritik, die sich auf unbestrittene oder erwiesene Tatsachen stützt, ist nicht rechtswidrig, solange kein Wertungsexzess vorliegt. Nach der Rechtsprechung sind lediglich solche Unwerturteile ehrwidrig, die kein wahres Tatsachensubstrat zur Grundlage haben oder die Grenzen des Tolerablen überschreiten. Letzteres setzt voraus, "dass die Äußerungen unverhältnismäßig überzogen sind und jedes Maß an Sachlichkeit vermissen lassen". Ob ein solcher Fall vorliegt, hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Wien beurteilen müssen. Gegenstand des Verfahrens war eine auf dem Unternehmensprofil einer Kinderärztin im Google Local Listing veröffentlichte Bewertung. Der User hatte im Rahmen eines Postings behauptet, die Kinderärztin bzw. ein Mitarbeiter von ihr habe bei einem Telefonat wegen einer dringenden Terminvereinbarung ein unter starken Schmerzen leidendes Kind abgewiesen, weil es bei ihr noch kein Patient sei, was menschlich miserabel sei. Die von der Kinderärztin rechtlich in Anspruch genommene Bewertungsplattform hat sich auf den Wahrheitsbeweis berufen, der aber nicht gelungen ist. Das OLG Wien führte in seiner Entscheidung aus, dass für den Leser des Postings das behauptete Vorgehen der Kinderärztin "ein mit dem ärztlichen Berufsethos unvereinbares und unehrenhaftes und gegen die guten Sitten verstoßenes Verhalten darstellt und die Kinderärztin in der öffentlichen Meinung herabsetzen kann".

Die Äußerung des Users ist als Wertungsexzess zu qualifizieren. Laut diesem Urteil beschreibt die Bezeichnung der Kinderärztin als menschlich miserabel wegen eines wahrheitswidrig geschilderten Vorfalls bei der beabsichtigten Terminvereinbarung die Grenze des Tolerablen. Diese Entscheidung zeigt deutlich, dass auch bei Online-Bewertungen nicht alles erlaubt ist und im Einzelfall die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung überschritten werden können.

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