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Update: Coronavirus

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INFO zu Lockdown-Umsatzersatz bei umsatzabhängigem Entgelt

Stand: 10.12.2020

Der Lockdown-Umsatzersatz („Umsatzersatz“) laut Verordnung BGBl II 2020/503 („UE-Verordnung“) soll vom Lockdown an der Geschäftsausübung gehinderte Unternehmen unterstützen. Nicht alle Unternehmen, sondern nur „besonders betroffene“ Branchen kommen in den Genuss des Umsatzersatzes. Dazu zählen insbesondere Gastronomie, Beherbergung, Teile des Handels sowie Freizeiteinrichtungen. Die Regelungen des Umsatzersatzes bereiten jedoch zivilrechtliche Probleme. Ob der Umsatzersatz Auswirkungen auf das gesetzliche Mietzinsminderungsrecht nach §§ 1104 ff ABGB hat, wurde bereits medial ausführlich diskutiert. Obwohl praktisch ähnlich bedeutsam, fand die Frage der Behandlung des Umsatzersatzes bei umsatzabhängigen Entgelten bisher jedoch deutlich weniger Aufmerksamkeit.

Gerade in den vom Lockdown betroffenen Branchen sind solche umsatzabhängigen Entgelte häufig. In Franchise- und Unternehmenspachtverträgen, wie sie in der Gastronomie oder Hotellerie sowie im Handel üblich sind, wird das Entgelt regelmäßig (zumindest auch) als Prozentsatz des monatlichen oder jährlichen (Netto-)Umsatzes ausgedrückt. Auch in Lizenzverträgen, wie sie dem Geschäft vieler Freizeiteinrichtungen zugrunde liegen – neben Marken ist dies auch für urheberrechtliche Lizenzen etwa im Kino- oder Theaterbereich relevant – wird die Lizenzgebühr oft als Prozentsatz des Umsatzes berechnet. Können also Franchise- oder Lizenzgeber sowie Pächter für die Zeit des Lockdowns ihr Entgelt zumindest teilweise auf Basis des gewährten Umsatzersatzes fordern?

Diese Frage ist in erster Linie durch Auslegung des jeweiligen Vertrages zu beantworten. Darin unterscheidet sich das Problem auch von der Mietzinsminderung: Während dort die zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere des ABGB) auszulegen sind, die in ganz Österreich gleich sind, ist hier je nach vertraglicher Regelung im Einzelfall ein anderes Ergebnis denkbar. Ausgangspunkt sind die §§ 914 f ABGB, die die Vertragsinterpretation regeln. Es ist dabei auf den Willen der Parteien abzustellen, wobei in erster Linie der Wortlaut des Vertrages relevant ist.

Stellt die Entgelthöhe also auf den „Umsatz“ ab, ist zuerst zu ergründen, ob der Umsatzersatz nach dem Verständnis der Parteien auch vom Begriff „Umsatz“ erfasst ist und daher in die Berechnung einfließen soll. Viele Verträge enthalten keine Definition von „Umsatz“. Im normalen Wortgebrauch (siehe etwa den Duden, aber auch gesetzliche Definitionen) bezieht sich „Umsatz“ auf den durch den Absatz von Waren und/oder die Erbringung von Dienstleistungen erzielten Wert. Danach wären nicht sämtliche Einnahmen des Unternehmers auch Umsatz, sondern nur jene die in Zusammenhang mit einer Transaktion über Waren oder Dienstleistungen stehen.

Ähnlich ist dies auch in den meisten Verträgen geregelt, die den heranzuziehenden Umsatz definieren, auch sie stellen oft auf die erzielten Einnahmen durch Warenverkauf und/oder Dienstleistungserbringung ab. Bei Marken- und Urheberrechtslizenzen wird oft noch weiter eingeschränkt, das Lizenzentgelt wird nur aus den Erlösen aus der Verwertung der Marke bzw. des Ticketverkaufs für den Film oder das Stück berechnet.

Sind also keine Anhaltspunkte für einen anderen Willen der Parteien vorhanden (sei es im Vertragstext, sei es durch die bisherige Vertragspraxis), werden die Parteien im Regelfall unter Umsatz nicht auch eine staatliche Beihilfe – mag sie auch unter Bezugnahme auf den Umsatz der letzten Jahre berechnet werden – verstanden haben. Die reine Wortinterpretation führt also dazu, dass der Umsatzersatz nicht als Umsatz zu qualifizieren wäre. 

Das Wahrscheinlichste ist aber, dass die Parteien beim Abschluss des Vertrages gar nicht an dieses Problem gedacht haben. Es geht schließlich nicht um irgendeine laufende staatliche Förderung, sondern um eine Beihilfe die durch die gravierenden Auswirkungen von Covid-19 in dieser Ausnahmesituation eingeführt wurde. Wer hätte es vor einem Jahr für möglich gehalten, dass ganzen Branchen in Österreich für längere Zeit schließen müssen und dafür finanzielle Zuschüsse erhalten?

Meines Erachtens kann daher in den meisten Verträgen – soweit eben nicht ausdrückliche Regelungen dem entgegenstehen – von einer planwidrigen Lücke in Bezug auf den Umsatzersatz ausgegangen werden. Das Wort „Umsatz“ mag zwar staatliche Beihilfen nach seiner normalen Bedeutung grundsätzlich nicht erfassen, da diese nicht im direkten Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen stehen. Hätten die Parteien aber von der derzeitigen Situation gewusst, hätten sie dafür sicherlich eine eigene Regelung in Bezug auf die Entgeltberechnung getroffen. Für solche planwidrigen Lücken erlaubt § 914 ABGB die Vertragsergänzung. Maßstab ist dabei der hypothetische Parteiwille, es ist also zu fragen wie die Vertragsparteien das Problem gelöst hätten, wenn es schon vor Vertragsabschluss bekannt gewesen wäre.

Da der Umsatzersatz – wie der Name schon sagt – den Umsatz ersetzt, wirtschaftlich also an die Stelle des Umsatzes tritt, hätten vernünftige Parteien im Regelfall wohl auch vorgesehen, dass diese spezifische staatliche Förderung zumindest anteilig vom Umsatzbegriff erfasst sein soll. Das entspricht im Normalfall wohl auch Treu und Glauben, da der zum Umsatzersatz Berechtigte damit so steht wie er stünde, wenn es keinen Lockdown gegeben und er diese Einnahmen im normalen Geschäftsbetrieb erzielt hätte. Doch kann es natürlich auch Vertragskonstellationen geben, in denen eine solche Annahme dem Willen der Parteien widersprechen würde. Das lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung des Vertragstextes und der gelebten Praxis beurteilen.

Zu beachten ist jedoch, dass die Vertragsparteien sicher keine Regelung getroffen hätten, die gegen die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zum Umsatzersatz verstoßen würde. Die Vertragsergänzung darf also nicht zu einem Ergebnis führen, dass mit der UE-Verordnung oder den darin enthaltenen Richtlinien nicht vereinbar wäre. So kann der Umsatzersatz nach Punkt 8.4. der Richtlinien bei widmungswidriger Verwendung rückgefordert werden. Ob die Bezahlung von Franchise-, Pacht- oder Lizenzentgelten eine solche widmungswidrige Verwendung darstellt, darf aber bezweifelt werden.

Zwar legen die rechtlich nicht bindenden Stellungnahmen und FAQs insbesondere des Bundesministeriums für Finanzen nahe, dass nur die anspruchsberechtigten Unternehmer selbst, nicht aber auch deren Vertragspartner vom Umsatzersatz profitieren sollen. Aus der UE-Verordnung selbst ergibt sich das jedoch nicht ausdrücklich. Anders als etwa die Verordnung zum Fixkostenzuschuss (BGBl II 2020/497) („FKZ-Verordnung“) sieht die UE-Verordnung auch keine Pflicht zur Minderung der Kosten vor. Der Zweck des Umsatzersatzes wird lediglich in seiner gesetzlichen Grundlage, § 2 Abs 2 Z 7 ABBAG-Gesetz, und Punkt 1.1. der Richtlinien vage damit umschrieben, dass der Umsatzersatz die „Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten“ in Zusammenhang mit Covid-19 bezweckt. Eine detaillierte Zweckwidmung, wie § 3b Abs 3 Z 2 ABBAG-Gesetz sie vorgesehen hätte und sie auch etwa in der FKZ-Verordnung enthalten ist, findet sich nicht.

Mangels rechtlich bindender Zweckwidmungen steht die derzeit gültige UE-Verordnung somit der – allenfalls durch Vertragsergänzung vorzusehenden – Einbeziehung des Umsatzersatzes in die Berechnung von umsatzabhängigem Entgelt nicht entgegen. Ein anderes Ergebnis wäre auch im Lichte des Gleichheitssatzes problematisch: Hätte der anspruchsberechtigte Unternehmer nämlich einen fixen Betrag als Franchise- oder Lizenzgebühr bzw. Pachtzins vereinbart, so stünde außer Frage, dass er diese mit dem Umsatzersatz decken darf. Weshalb der Umsatzersatz dann aber nicht zur Deckung von umsatzabhängigen Kosten verwendet werden dürfte, ist nicht einzusehen.

Aus dem Umstand, dass die UE-Verordnung der Einbeziehung des Umsatzersatzes in die Entgeltberechnung nicht entgegensteht, lässt sich zivilrechtlich aber nicht ableiten, dass dies auch immer geboten ist. Dazu muss der Vertrag im Einzelfall juristisch beurteilt werden.  

Autor:

Dr. Michael Komuczky, Rechtsanwalt bei LANSKY, GANZGER + partner

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