Update: Coronavirus

FAQ zu Umsatzeinbußen und Fixkosten, rechtliche Aspekte für KMUs im Hinblick auf das Coronavirus
Stand: 16.03.2020
Für eine große Zahl an österreichischen Unternehmen stellen sich derzeit aufgrund des weitreichenden "Lockdowns" im Hinblick auf die Covid-19 Krise diverse Rechtsfragen, deren Behandlung je nach den Umständen des Einzelfalls von existenzieller Bedeutung sein kann.
Insbesondere werden KMU oftmals mit folgenden Problemen konfrontiert sein:
- Lieferanten und Abnehmer versuchen aus bestehenden Verträgen auszusteigen;
- Lieferanten bieten Leistungen aus Vertragsverhältnissen an, die das KMU nicht mehr benötigt;
- Abnehmer bestehen auf Lieferungen, die das KMU nicht mehr erbringen kann;
- Löhne, Gehälter, Miete, Kreditzinsen und -Tilgungen, sowie Sozialversicherungsbeiträge und Steuern stehen zur Zahlung an, es fehlt jedoch an Liquidität um die entsprechenden Verbindlichkeiten zu erfüllen.
Die rechtliche Behandlung dieser Fragestellungen hängt von den konkreten Vertragsverhältnissen ab, weswegen es keine Einheitslösungen dazu gibt. In der Folge werden dennoch einige allgemeine Grundsätze aufgezeigt, anhand derer eine erste Orientierung möglich ist.
Ein Kunde will einen Kaufvertrag stornieren. Kann er das?
Hier stellt sich zunächst die Frage, ob das KMU selbst noch liefern kann. Wenn dies aufgrund von eigenen Einkaufsproblemen nicht mehr der Fall ist, dann empfiehlt sich eine einvernehmliche Stornierung mit dem Kunden.
Kann das KMU selbst noch liefern, so wird es am Vertrag festhalten wollen. Der Abnehmer kann in diesem Fall nicht nachträgliche Unmöglichkeit für die Auflösung ins Treffen führen, da die Lieferung durch das KMU ja noch möglich ist.
Nach allgemeinen Grundsätzen wird der B2B-Abnehmer nur im Ausnahmefall geltend machen können, dass er sich hinsichtlich des Bedarfs an der Kaufsache "geirrt" hat. Ein Motivirrtum wäre nur dann relevant, wenn das Motiv durch die Parteien einvernehmlich zum Inhalt des Vertrages gemacht wurde oder eine echte (vertragliche) Bedingung darstellt, was nur selten der Fall sein wird.
Weiters wäre es für B2B Geschäfte denkbar, dass der Abnehmer sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft. Diesbezüglich sind die rechtlichen Anforderungen grundsätzlich eher hoch angesetzt, jedoch mag es sein, dass die Gerichte bei Elementarereignissen wie der globalen Covid-19 Epidemie ein gewisses Verständnis für den Wunsch nach Vertragsauflösung zeigen. In der Praxis wird man sich in jedem Fall vom Zurücktretenden schriftlich nachweisen lassen, worin denn die Geschäftsgrundlage konkret gelegen sein soll, warum sie nunmehr als weggefallen gelten soll, und warum dieser Wegfall bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar war. Je nach Bedeutung des Geschäftsfalles (und Leistungsfähigkeit des Kunden) kann man sich dann überlegen, auf Leistung zu klagen oder die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Konsumenten können innerhalb bestimmter Fristen Rücktrittsrechte auch ohne Berufung auf Covid-19 aufweisen (z.B. bei Fernabsatzgeschäften). Konsumenten können zudem nach § 3a KSchG vom Vertrag zurücktreten, wenn ohne deren Veranlassung für deren Einwilligung maßgebliche Umstände (zB Aussicht auf einen Kredit, eine Förderung, oder die Mithilfe eines Dritten), die der Unternehmer im Zuge der Vertragsverhandlungen als wahrscheinlich dargestellt hat, nicht oder nur in erheblich geringerem Ausmaß eintreten.
Hat der Abnehmer kein Rücktrittsrecht und verweigert er die Zahlung, so gerät er in Leistungsverzug hinsichtlich der Kaufpreiszahlung und in Annahmeverzug hinsichtlich der Kaufsache. Ab diesem Zeitpunkt trifft den Käufer die Preisgefahr - der Kunde muss selbst dann zahlen, wenn die Sache zufällig untergeht. Das KMU kann entweder auf Leistung klagen, oder nach Setzen einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten. Es kann die Sache auch vertragserfüllend bei Gericht hinterlegen (wenn diese in Krisenzeiten noch geöffnet haben!).
Ein KMU kann wegen Schwierigkeiten seiner Vorlieferanten nicht mehr leisten und will selbst aus einem Verkauf aussteigen. Kann es das?
Ist die Kaufsache aufgrund des allgemeinen Covid-19 "Lockdowns" für das KMU gar nicht mehr erhältlich, so kann das sich das KMU auf die "Unmöglichkeit" der Leistungserbringung berufen. Diese wäre dem KMU nicht vorwerfbar, da die globale Covid-19 Epidemie wohl einen Fall der "höheren Gewalt" darstellt. In diesem Fall fällt der Vertrag quasi "automatisch" weg, und zwar auch ohne Rücktrittserklärung und ohne gerichtliche Antragstellung. Es empfiehlt sich jedoch in jedem Fall, dem Vertragspartner den Eintritt der Vertragsauflösung schriftlich mitzuteilen.
Als Folge des Vertragswegfalls müssen noch ausstehende Leistungen nicht mehr erbracht werden. Wurden von den Geschäftspartnern Vorleistungen erbracht, so sind diese zurückzustellen.
Schwieriger ist der Fall, wenn die Kaufsache für das KMU von anderen Lieferanten noch erhältlich ist. In diesem Fall wird das bloße Faktum, dass sich der Einkauf allenfalls verteuert hat, nicht für eine Vertragsauflösung ausreichen. Zu prüfen wäre jedoch ob eine Vertragsauflösung zum Beispiel wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, wie oben für den Kunden besprochen, möglich ist.
Wie steht es mit den Lieferanten des KMU?
Für Lieferanten gelten die oben angeführten Grundsätze spiegelbildlich.
Wie kann man die Personalkosten reduzieren?
Mit dem gerade beschlossenen COVID-19-FondsG wurde nunmehr ein COVID-19- Krisenbewältigungsfonds eingerichtet, der unter anderem für Maßnahmen zur Belebung des Arbeitsmarkts (insbesondere eben Kurzarbeit) zur Verfügung stehen wird. Zudem gelten wirtschaftliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit COVID-19 ex lege als "vorübergehende nicht saisonbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten" im Sinne des § 37b AMSG. Eine Antragstellung auf Kurzarbeit auf Basis der derzeitigen Situation ist nunmehr ab 16.3.2020 möglich. Die Anmeldefrist wurde von 6 Wochen auf 48 Stunden verkürzt. Vor Antragstellung sind Schritte zu setzen, je nachdem, ob im Betrieb ein Betriebsrat eingesetzt ist, oder nicht. Eine Handlungsanleitung ist unter dem WKO-Link https://www.wko.at/service/handlungsanleitung-corona-sozialpartnervereinbarung.pdf aufrufbar.
Neu ist auch, dass im Fall der Schließung von Geschäften auf Grund behördlicher Maßnahmen für Arbeitnehmer, die nicht in einem versorgungskritischen Bereich tätig sind und die keinen Anspruch auf Dienstfreistellung zur Betreuung eines Kindes unter 14 Jahren haben, vom Arbeitgeber eine Sonderbetreuungszeit im Ausmaß von bis zu drei Wochen gewährt werden kann. Solche Arbeitgeber haben Anspruch auf Vergütung von einem Drittel des in der Sonderbetreuungszeit an die Arbeitnehmer gezahlten Entgelts durch den Bund, gedeckelt mit der monatlichen ASVG Höchstbeitragsgrundlage.
Wenn die Betriebstätigkeit eingestellt werden muss, ist eine Auflösung des Dienstverhältnisses der Mitarbeiter für den Dienstgeber wirtschaftlich (kurzfristig) günstiger. Sollten Dienstgeber-Kündigungen erwogen werden, sind aber die allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften des Arbeitsrechtes weiter anzuwenden. In diesem Fall ist bei mehr als 20 Mitarbeitern im Betrieb eine Frühwarnung beim AMS einzureichen. Darin kann der schriftliche Antrag auf Verkürzung der Frist (von normal 30 Tagen auf bis zu 1 Tag) inkludiert werden.
Wie sieht es mit langfristigen Verträgen, wie Miet- und Kreditverträgen, aus?
Wer langfristig zB durch einen Kredit- oder Mietvertrag gebunden ist, wobei der Vertrag auf bestimmte Zeit abgeschlossen wurde, wird die Covid-19 Epidemie allenfalls als wichtigen Grund für die Vertragsauflösung ins Treffen führen können.
Aufzupassen ist in diesem Fall jedoch darauf, dass mit einer vorzeitigen Vertragsauflösung unter Umständen massive Folgen verbunden sein können. Zum Beispiel wird dann, wenn ein Kreditvertrag wegen Covid 19 vom Kreditnehmer gekündigt wird, in der Regel umgehend das noch offene Nominale fällig werden. Zudem kann es, je nach Vertragsgestaltung, dazu kommen, dass die Bank die noch offenen Zinsen als Vorfälligkeitsentschädigung einfordert (Anmerkung: Für Konsumenten bestehen diesbezüglich Sonderregeln nach § 33 Abs 8 BWG, § 16 VKrG, und § 12a KSchG).
Von Bedeutung ist, dass gemäß § 1104 ABGB für ein Mietobjekt, das wegen "außerordentlicher Zufälle", zu denen auch eine "Seuche" gehören kann, gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten ist. Kann das Objekt beschränkt gebraucht werden, so wird dem Mieter ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Diese Bestimmung zielt darauf ab, dem Bestandgeber das Risiko für außergewöhnliche Zufälle anzulasten, auf Grund derer der Gebrauchsnutzen des Bestandsobjektes zur Gänze oder teilweise verloren geht. An sich müsste dies auch bei behördlichen Schließungen zur Anwendung kommen, und es empfiehlt sich daher, bei Beschränkungen der Nutzung durch die Behörden den Vermieter mit einem Ersuchen um Mietzinsreduktion zu kontaktieren. Wie die Gerichte in der Praxis diesbezüglich mit Streitfällen umgehen werden, wird sich zeigen.
Gibt es Möglichkeiten, die Steuer- und Sozialversicherungs-Belastungen zu reduzieren?
Wie aus dem BMF zu hören ist, wird es aus steuerlicher Sicht zu einer speziellen Herabsetzungsmöglichkeit für ESt bzw. KöSt Vorauszahlungen kommen, die dann zur Anwendung kommt, wenn der Steuerpflichtige von einer durch Covid-19 bedingten Ertragseinbuße betroffen ist. Für einen solchen Fall ist im Antrag die voraussichtliche Minderung der Bemessungsgrundlage auf Grund der konkreten Betroffenheit glaubhaft zu machen. Der Antrag kann auch in FinanzOnline gestellt werden.
Wird der Steuerpflichtige von den Folgen des durch das Covid-19 Virus ausgelösten Notstandes liquiditätsmäßig derart betroffen, dass er die Einkommensteuer-Vorauszahlungen nicht bezahlen kann, so kann er bei seinem Finanzamt anregen, diese für das Kalenderjahr zur Gänze nicht festzusetzen oder die Festsetzung auf einen Betrag zu beschränken, der niedriger ist, als die voraussichtliche Jahressteuer. Voraussetzung ist auch hier, dass der Steuerpflichtige die konkrete Betroffenheit von den Folgen des durch das Virus ausgelösten liquiditätsmäßigen Notstandes glaubhaft macht. Das Finanzamt muss derartige Anregungen sofort erledigen.
Weiters sind Maßnahmen zur Abstandnahme von der Festsetzung von Nachforderungszinsen, Erleichterungen bei Stundungs- und Ratenzahlungsanträgen, sowie Herabsetzungen von Säumniszuschlägen geplant.
Im Bereich der Sozialversicherung ist zu hören, dass die ÖGK ein Maßnahmenpaket geschnürt hat, um bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen der Dienstgeber wirksame Unterstützung zu leisten. Auch hier geht es insbesondere um Stundungen, Ratenzahlung, Aussetzung von Exekutionsanträgen und ähnliches.
Kann man beim Staat spezielle Hilfeleistungen beantragen?
Neben dem bereits angesprochenen COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, der unter anderem auch für Maßnahmen zur Abfederung von Einnahmenausfällen in Folge der Krise zur Verfügung steht, hat der Gesetzgeber auch den Leistungskatalog des ABBAG-Gesetzes erweitert. Dieser erfasst nunmehr auch die Erbringung von Dienstleistungen und das Ergreifen von finanziellen Maßnahmen, die zugunsten von Unternehmen zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Covid-19 und den dadurch verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen geboten sind.
Unternehmen im Sinne dieser Förderungsvorschrift sind solche, die ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in Österreich haben und ihre wesentliche operative Tätigkeit in Österreich ausüben.
Auf die Gewährung von finanziellen Maßnahmen nach dem ABBAG besteht kein Rechtsanspruch. Das Nähere wird durch den BMF durch Verordnung geregelt.
Wichtig ist, dass im Gegenzug mit § 4 Abs 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 auf die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen der derzeitigen Krise für nicht anwendbar erklärt wurden. Im Hinblick auf die neuen, im Ermessen stehenden Hilfsmaßnahmen besteht daher für Unternehmer im gegenwärtigen Krisenszenario kein Rechtsanspruch auf Verdienstentgang nach § 32 EpidemieG.
Diverse Förderungen gibt es auch im Rahmen des aws-Garantieprogramms der Austria Wirtschaftsservice sowie zum Beispiel im Rahmen des vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) gemeinsam mit der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) aufgelegten Maßnahmenpaketes für die Tourismusindustrie. Die diesbezüglich bestehende Zersplitterung macht es für den Unternehmer sicherlich nicht einfacher.