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Update: Coronavirus

Update: Coronavirus

Kommentar zum 3.COVID-19-Gesetz

Stand: 04.04.2020

Der NR hat mit dem 3. COVID-19-Gesetz auch eine begrüßenswerte Bestimmung in das ASVG aufgenommen. Nach § 735 Abs 3 ASVG haben Dienstnehmer, denen vom behandelnden Arzt attestiert wird, zur COVID-19-Risikogruppe zu gehören, Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung und Fortzahlung des Entgelts, außer der Betroffene kann seine Arbeitsleistung in der Wohnung erbringen oder die Bedingungen an der Arbeitsstätte können durch geeignete Maßnahmen so gestaltet werden, dass eine Ansteckung mit COVID-19 mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist.

Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber diese durchaus positive Regelung dadurch mit Verfassungswidrigkeit belastet, dass er eine große Gruppe von Arbeitnehmern von dieser Schutzmaßnahme undifferenziert ausgenommen hat. Nach § 735 Abs 4 ASVG gilt diese Schutzbestimmung nämlich nicht für Betroffene, die in Bereichen der kritischen Infrastruktur beschäftigt sind.

Diese undifferenzierte Regelung bedeutet, dass zB.: eine Pflegeperson, nahe dem Pensionsalter und mit Vorerkrankungen, zwar zur Risikogruppe COVID-19 gehört, dessen ungeachtet aber ihre normalen Dienstpflichten erfüllen muss. Dazu kommt, dass der Gesetzgeber - nach den Erläuterungen - den Begriff der "kritischen Infrastruktur" außerordentlich weit fasst und neben der sogenannten Daseinsvorsorge (Versorgung mit Lebensmitteln, Verkehrs-, Telekommunikations-, Post-, Energie- und Finanzdienstleistungen, wie auch eine gesicherte Versorgung mit Sozial-, Gesundheits- und Pflegedienstleistungen) auch die gesamte staatliche Hoheitsverwaltung als kritische Infrastruktur erfasst. Dies bedeutet, dass ein Beschäftigter in einer Bauabteilung einer Gemeinde oder in einer Bezirksverwaltungsbehörde auch dann uneingeschränkt seinen Dienstpflichten nachkommen muss, wenn er zur Risikogruppe gehört. Staatliche Hoheitsverwaltung ist aber nicht per se "versorgungskritisch".

Diese Ausnahme ist aus zwei Gründen verfassungswidrig:

  • Die uneingeschränkte und undifferenzierte Ausnahmebestimmung kann dazu führen, dass ein Dienstnehmer seine Dienstpflichten auch dann erfüllen muss, wenn er damit das Risiko eingeht, selbst zu erkranken oder zu sterben. Damit verletzt der Gesetzgeber das Recht auf Leben nach Art 2 MRK.
  • Verschärft wird die Verfassungswidrigkeit dadurch, dass der Gesetzgeber den Bereich der "kritischen Infrastruktur" unverhältnismäßig weit fasst, indem er zB.: die gesamte staatliche Hoheitsverwaltung zur kritischen Infrastruktur zählt. Diese Regelung ist überschießend, weil nicht jede Tätigkeit im Bereich der Hoheitsverwaltung "versorgungskritisch" ist.

Der Gesetzgeber hat mit dieser Neuregelung zwei Gruppen von Arbeitnehmern geschaffen: die, die als Angehörige einer Risikogruppe Schutz genießen und die anderen, denen dieser Schutz versagt bleibt. Der Gesetzgeber hat verkannt, dass der Schutz des Lebens nach Art 2 MRK unantastbar ist. Dies bedeutet, dass jedenfalls Personen, die ein hohes Risiko tragen, auch dann von der Pflicht ihrer Arbeitsleistung entbunden werden müssen, wenn sie in einem versorgungskritischen Bereich tätig sind. Allenfalls könnte man überlegen, ob Personen, die ein geringeres Risiko zu tragen haben, dann beschäftigt werden dürfen, wenn der Dienstgeber Maßnahmen trifft, die eine Infektion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindern.

Der vom Gesetzgeber gut gemeinte Schnellschuss ist leider missglückt.

AUTOR:

em. O. Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer, Senior Expert Counsel bei Lansky, Ganzger + partner

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