Grenzüberschreitende Vollstreckung
von Urteilen post-Brexit

Auch im internationalen Geschäftsverkehr sind Unternehmen vielfach gezwungen, ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten führt oftmals die Vollstreckbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung im Ausland zu erhöhtem Aufwand.
Grundsätzlich gilt ein Urteil nur in dem Staat, in dem es erlassen wurde. Um es auch in einem anderen Staat vollstrecken zu können, bedarf es entweder internationaler Vereinbarkeit oder anderweitiger Sonderregelungen. Zwischen den Mitgliedsstaaten der EU wurde deshalb die grenzüberschreitende Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen in diversen Verordnungen geregelt, insbesondere in der VO 1215/2012, der EuGVVO, die (auch) die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen regelt. In deren Anwendungsbereich sind gerichtliche Entscheidungen ohne weiteres Verfahren in einem anderen Mitgliedsstaat vollstreckbar. Nur in wenigen Ausnahmefällen darf dies verweigert werden.
Nach der – bisher auch für das Vereinigte Königreich (UK) geltenden – EuGVVO kann die Frage des Gerichtsstandes durch Parteivereinbarung geregelt werden, aber auch ohne eine solche Vereinbarung ist sie etwa bei Schadenersatzklagen oder Verstößen gegen Rechte aus dem geistigen Eigentum anwendbar. Die EuGVVO bietet also die Basis für eine unkomplizierte Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen innerhalb der EU in vielen wirtschaftlich relevanten Rechtsbereichen. Obwohl die Briten die EU am 31.1.2020 offiziell verließen, haben die Union und das UK im sogenannten Austritts-Abkommen eine Übergangsfrist vereinbart, innerhalb derer grundsätzlich noch das EU-Recht, also auch die EuGVVO, für das UK verbindlich ist. Diese Übergangsfrist endet nun am 31.12.2020. Danach können Urteile aus Mitgliedsstaaten nur noch nach der EuGVVO im UK vollstreckt werden, wenn das zugrundeliegende gerichtliche Verfahren vor dem 31.12.2020 begonnen wurde. Dasselbe gilt umgekehrt für die Vollstreckung britischer Entscheidungen in den Mitgliedsstaaten.
Ab dem 1.1.2021 wird das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen dem UK und den EU-Mitgliedsstaaten gelten. Dieser völkerrechtliche Vertrag regelt ebenso die Anerkennung und Vollstreckung bestimmter (!) gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zwischen der EU und dem UK. Das Übereinkommen gilt jedoch – anders als die EuGVVO – nur dann, wenn die Parteien des Rechtsstreites eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben. Daneben gilt für das UK auch weiterhin das New Yorker Übereinkommen zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, dass die Vollstreckung von Entscheidungen von Handelsschiedsgerichten im UK absichert. Die Vollstreckung (schieds-) gerichtlicher Entscheidungen aus Mitgliedsstaaten im UK, die auf vertraglichen Streitbeilegungsklauseln beruhen, bleibt damit abgesichert. Ohne zugrundeliegender Parteivereinbarungen wird es nach dem 31.12.2020 vorerst aber keine völkerrechtliche Absicherung der Vollstreckung geben.
Beim Abschluss von Verträgen mit britischen Geschäftspartnern sollte daher eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung oder eine Schiedsklausel enthalten sein, um unnötige Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche zu verhindern. Auch für Altverträge bietet sich an, nachträglich eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien aufzunehmen. Die Zuziehung von rechtlichem Beistand ist dabei empfehlenswert, da nur die richtige Formulierung einer passenden Klausel unnötige Probleme und Kosten vermeiden kann.
Auf lange Sicht ist zu hoffen, dass die unbefriedigende Rechtslage völkerrechtlich korrigiert wird, etwa durch Beitritt zum im Juli 2019 veröffentlichten Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Gerichtsentscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Die EU evaluiert dies gerade, bislang wurde das Übereinkommen aber noch von keinem Staat ratifiziert.