Temporärer Schutz
für konkursbedrohte Unternehmen

Der slowakische Gesetzgeber hat ein Rechtsinstrument zum vorübergehenden Schutz von Unternehmern in finanziellen Schwierigkeiten („Temporary Protection“) verabschiedet, das seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist. Hauptzweck ist der Schutz vor Gläubigern und die Schaffung von Instrumenten zur Unterstützung von konkursbedrohten Unternehmern.
Die Pandemie hat aktuell eine Situation erzeugt, die in den letzten Jahrzehnten beispiellos ist. Viele Branchen und Geschäftszweige müssen geschlossen bleiben oder dürfen nur sehr eingeschränkt öffnen. Das verursacht enormen Schaden, und zwar nicht nur in den primär betroffenen Bereichen, sondern in weiterer Folge auch in Geschäftsbereichen, die nicht direkt von der Pandemie betroffen wären. Dies geschieht derzeit weltweit – und die Slowakei bildet hier leider keine Ausnahme. In einem zeitlich begrenzten Rahmen soll deshalb ein neues Gesetzespaket finanziell angeschlagenen Unternehmern die Fortführung ihres Betriebes ermöglichen, den Verlust von Arbeitsplätzen und Know-how verhindern sowie zu einer höheren Befriedigung von Gläubigeransprüchen führen.
Dieser temporäre Schutz basiert auf dem vorangegangenen Schutzpaket, das die Slowakei in der ersten Jahreshälfte 2020 geschaffen hatte, um krisengebeutelten Unternehmern schnelle Hilfe zu leisten. Im Gegensatz dazu ist das neue Gesetzespaket ein dauerhafteres Instrument im slowakischen Rechtssystem, weil es in diesem Fall nicht nur darum geht, Unternehmern zu helfen, die aufgrund der Corona-Krise in Schwierigkeiten geraten sind.
Die Adaptierung dieses Instruments ist besonders relevant, da Restrukturierungsmaßnahmen in der Slowakei erfahrungsgemäß schwer umzusetzen sind. So ist für eine Restrukturierung eines Unternehmens nach slowakischem Recht die Befriedigung von mindestens 50 % der Forderungen des Gläubigers erforderlich. Kein Wunder, dass die Zahl der Restrukturierungen seit der Einführung zur Mindestbefriedigung von Gläubigern im Jahr 2015 rapide gesunken ist. Daher ist davon auszugehen, dass ohne den einstweiligen Rechtsschutz noch höhere Schäden entstehen würden und somit die finanziellen Schwierigkeiten bei vielen Unternehmern direkt zum Konkurs führen würden.
Voraussetzungen für den einstweiligen Schutz
Unternehmer, die beim Gericht einen Antrag auf vorläufigen Schutz stellen möchten, müssen zwei Grundvoraussetzungen erfüllen. Das Zentrum ihrer Geschäftstätigkeit liegt nachweislich in der Slowakei. Das bedeutet, dass es auch ein ausländischer Unternehmer sein kann, der in der Slowakei tätig ist. Allerdings muss dessen Management die meisten Entscheidungen in der Slowakischen Republik treffen und der Hauptteil des unternehmerischen Vermögens in der Slowakei sein. Ebenso darf der beantragende Unternehmer keine Bank, Versicherungsgesellschaft, Makler oder eine andere vom Gesetz ausgeschlossene Unternehmensform sein.
Außerdem müssen die Unternehmer weitere gesetzlich vorgeschriebene Bedingungen erfüllen. Zu diesen gehört die Zustimmung der absoluten Mehrheit der Gläubiger zum vorläufigen Schutz, welche in schriftlicher Form nachzuweisen ist. Ebenso müssen die Gläubiger gründlich prüfen, ob es für den Unternehmer noch eine reale Chance gibt, die Finanzkrise zu meistern.
Unternehmer müssen freilich auch noch andere Bedingungen erfüllen, wie etwa:
- Es darf kein Vollstreckungsverfahren gegen sie zur Befriedigung einer Forderung aus der Geschäftstätigkeit oder Ausübung des Pfandrechts an dem Vermögen geben
- Sie sind nicht verpflichtet, einen Konkursantrag zu stellen und es wurde auch noch kein Konkursverfahren eröffnet
- Es gab keine Konkurserklärung und es wurde noch kein Restrukturierungsverfahrens gegen sie eröffnet
- Sie dürfen keinen Gewinn oder andere Eigenmittel ausgeschüttet haben und sie haben in den letzten 12 Monaten keine Maßnahmen ergriffen, die ihre finanzielle Stabilität gefährdet
- Sie sind im offiziellen slowakischen Register eingetragen, welches die Endbegünstigten ausweist (falls der Antragsteller eine juristische Person ist).
Wirkungen, Rechte und Pflichten
Eine der wichtigsten Aufgaben des Schutzpaketes der Regierung ist die „Konkursimmunität“. Das bedeutet, dass während des vorübergehenden Schutzes nicht über die Eröffnung eines Konkursverfahrens gegen den Unternehmer entschieden werden kann (sog. passive Konkursimmunität) und der Unternehmer auch nicht verpflichtet ist, einen Antrag auf Konkurserklärung zu stellen (sog. aktive Konkursimmunität). Eine weitere wichtige Auswirkung ist die „Vollstreckungsimmunität“, die zur Folge hat, dass die Rechte oder Vermögenswerte des Unternehmens im Vollstreckungsverfahren während des vorläufigen Schutzes nicht für die vor dem vorläufigen Schutz entstandene Forderung herangezogen werden dürfen – mit Ausnahme der gesetzlich ausgeschlossenen Forderungen.
Während des temporären Schutzes ist der Unternehmer berechtigt, Verbindlichkeiten aus seiner normalen Geschäftstätigkeit sowie auch Leistungen zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes, die nach der Gewährung des vorübergehenden Schutzes entstehen, vor den früher fälligen Verbindlichkeiten zu bezahlen. Jeder Unternehmer, der die Hilfestellung der Regierung in Anspruch nimmt, ist zudem verpflichtet, dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger Vorrang vor seinen eigenen Interessen einzuräumen und sich der Verfügung über sein Vermögen zu enthalten.
Unternehmen sind im Regelfall oft gezwungen, finanzielle Schwierigkeiten durch eine Kreditfinanzierung zu bewältigen. Da der Unternehmer durch eine solche Finanzierung eine neue Verpflichtung eingeht, sehen die Bedingungen des Schutzpaketes vor, dass eine solche Kreditfinanzierung nur zu Standardbedingungen gewährt werden darf. Die Mittel aus der Kreditfinanzierung dürfen nur im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung des Betriebes des Unternehmers verwendet werden.
Dauer des Schutzanspruchs und seine Verlängerung
Der Anspruch auf den vorübergehenden Schutz eines Unternehmers besteht 3 Monate ab dem Tag seiner Gewährung, d.h. ab der Veröffentlichung der entsprechenden Meldung im Slowakischen Wirtschaftsblatt. Das Gesetz sieht ebenfalls vor, dass ein Unternehmer frühestens 30 Tage und spätestens 10 Tage vor Ablauf des temporären Schutzes eine Verlängerung um weitere 3 Monate beantragen kann. Eine solche Verlängerung ist nur dann möglich, wenn der Unternehmer mit seinen Gläubigern über inhaltliche Änderungen der Verpflichtungen, eine teilweise Befreiung von den Verpflichtungen oder über eine Kreditfinanzierung verhandelt. Er benötigt außerdem mindestens eine Zweidrittelmehrheit der Gläubiger, die der Verlängerung des temporären Schutzes zustimmt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das von der Regierung neu geschaffene Rechtsinstrument für Unternehmer bestimmt ist, die proaktiv und in gutem Glauben versuchen, ihre kritische finanzielle Situation mit den Gläubigern zu lösen. Es bietet einen angemessenen rechtlichen Rahmen, um Unternehmern in kurzfristigen finanziellen Schwierigkeiten zu helfen und ihnen somit zu ermöglichen, ihr Geschäft weiterzuführen. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass es angemessene Schutzmaßnahmen für Gläubiger vor Missbrauch durch den Schuldner bietet. Da dieses Rechtsinstrument erst seit kurzer Zeit in Kraft ist, können wir noch nicht im Detail beurteilen, ob damit die angestrebten Ziele letztendlich erreicht werden. Nur die Zeit wird zeigen, ob der vorübergehende Schutz zu einem dauerhaft wirksamen Instrument wird.
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