Newsroom / News / Medien / 13.1.2014 Diskussion Vordernberg & Auslagerung von Sicherheitsaufgaben

Vordernberg: „Grundrechte sind sicher“

Vordernberg: „Grundrechte sind sicher“

Wien, 13.1.2014 – Rechtliche Grenzen der Auslagerung von Sicherheitsaufgaben: Weniger emotional als zuletzt in den Medien wurde das Thema Vordernberg in der heutigen vom Menschenrechtskompetenzzentrum der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Lansky, Ganzger + partner veranstalteten Expertendiskussion behandelt. Am Podium saßen Univ.-Doz. Dr.Dr. Alexander Egger, Vergabespezialist bei LGP, Verfassungsrichter Georg Lienbacher, Universitätsprofessor Hannes Tretter, Sektionschef im Innenministerium Dr. Mathias Vogl und G4S-Österreich-Chef Dr. Matthias Wechner.

Auslagerung von „nicht hoheitlichen Leistungen“ an privaten Sicherheitsdienst G4S

Die zwischen dem Bundesministerium für Inneres und der Gemeinde Vordernberg sowie der G4S abgeschlossenen Verträge und auf diesen beruhenden Weisungen sollen laut Tretter sicherstellen, dass die Grundrechte der Angehaltenen gewahrt werden. Aus grundrechtlicher Sicht gebe es bei der Auslagerung von nicht hoheitlichen Leistungen im Schubhaftzentrum Vordernberg, wie beispielsweise Gebäudemanagement, Verpflegung, Reinigung und Büchereibetrieb, in der Regel keine Bedenken. Aber, so der Menschenrechtler, stelle die Personen- und Gepäckskontrolle durch den privaten Auftragnehmer einen grundrechtssensiblen Bereich dar.


Matthias Wechner, Österreich-Vorstand von G4S, dem Generalunternehmer der Gemeinde Vordernberg, stellte klar, dass das Schubhaftzentrum entgegen der bisherigen Medienberichte nicht von G4S betrieben werde. G4S sei lediglich Verwaltungshelfer für die Gemeinde und übernehme als solcher keine Sicherheitsaufgaben. Wechner bekräftigte: „Wir wollen einen menschlichen und ethischen Ansatz anwenden. Wir haben strenge Maßstäbe bei der Auswahl der Mitarbeiter und auf deren psychologische Schulung und laufende Weiterbildung wird großer Wert gelegt.“ Die 100 Mitarbeiter wurden alle in der Region Steiermark rekrutiert und für den Einsatz speziell ausgebildet. 75 Prozent des Personals sind weiblich.


Polizei trägt Verantwortung

Wie Mathias Vogl, Sektionschef im Innenministerium betonte: „Wir haben in Vordernberg eine Aufgabenteilung, aber keine Verantwortungsteilung. Die Verantwortung der Sicherheitsbehörde bleibt gewahrt.“ Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei immer nur durch die Polizei möglich. Für Vogl gibt es einen unbegründeten Misstrauensvorschuss. Die Aufgabenverteilung sei klar und wurde im Dezember durch eine Weisung nochmals präzisiert. Vogl: „Wir haben nichts zu verbergen und wir werden unser Bestes tun, um zu beweisen, dass diese Konstruktion im offenen Vollzug funktionieren wird.“ Vogl wies auch darauf hin, dass es im Vollzug längst Mitarbeiter für die Durchführung von nicht hoheitlichen Aufgaben gebe. Auch dürfe man nicht vergessen, dass in Vordernberg keine Risikopersonen, d.h. keine Personen, bei denen Gewaltbereitschaft zu erwarten ist, angehalten werden.

Vergaberechtlich und unionsrechtlich seien Ausschreibung und Vergabe völlig in Ordnung, stellte Alexander Egger, Vergaberechtsspezialist bei Lansky, Ganzger + partner, fest. Wegen der großen Verantwortung wurde in der Ausschreibung nach einem Unternehmen mit Erfahrung im Betrieb von Gefängnissen gesucht. Aufgrund dieses Kriteriums hätten sich andere Interessenten zurückzogen. Bei der Ausschreibung habe sich das Innenministerium sogar für die strengeren unionsrechtlichen Gesetze entschieden, obwohl diese bei Ausschreibungen im staatlichen Sicherheitsbereich nicht erforderlich seien.


„Im Kern ist diese Auslagerung für Österreich nichts Neues“, stellte Rechtsanwalt Gerald Ganzger von Lansky, Ganzger + partner fest. „Es ist ein Faktum, dass weltweit immer mehr Aufgaben an Private vergeben werden, bei Sicherheitskontrollen auf Flughäfen ist das längst der Fall“, so Ganzger. Wichtig sei, dass die grundrechtlichen und verfassungsrechtlichen Erfordernisse eingehalten werden, so Menschenrechtsexperte Tretter.

Auf die Frage, wie die Mitarbeiter von G4S in einem Notfall reagieren würden, antwortete G4S-Chef Wechner: „Sollte es zu einem sicherheitstechnischen Vorfall kommen, werden sofort die Kollegen von der Polizei gerufen.“ Laut Verfassungsrichter Georg Lienbacher besteht in dieser Situation bis zum Eingreifen der Polizei das Recht auf Nothilfe. Für Lienbacher ist die Erfüllung zahlreicher Sicherheitsaufgaben ohne Private nicht mehr möglich. Es gebe vielmehr kaum Bereiche, wo das kein Thema sei – ob Massenprüfungen an der Universität oder Campusbewachung: Solange private Sicherheitsmitarbeiter nicht hoheitlich eingreifen, sei die Situation unproblematisch. Wenn diese rechtswidrig agieren oder Maßnahmen ergreifen, zu denen sie nicht berechtigt sind, müsse von den betroffenen Angehaltenen entweder zivilrechtliche Klage und/oder eine strafrechtliche Anzeige erhoben werden.


Kritik, dass es sich bei der Ausbildung für die G4S-Mitarbeiter um ein psychologisches Schnellsiedeprogramm handle, lässt Matthias Wechner, Österreich-Vorstand von G4S nicht gelten. „Unsere Mitarbeiter haben im Gegensatz zu anderen Verwaltungshelfern an der Schnittstelle zu sicherheitspolitischen Aufgaben ein intensives Ausbildungsprogramm absolviert“, so Wechner. Darüber hinaus sei das Interesse so groß gewesen, dass es auch nach der Inbetriebnahme laufende Weiterbildungen und Mediationen für die Mitarbeiter geben werde. Wechner betonte, dass sein Unternehmen und seine Mitarbeiter an die Weisungen des Innenministeriums gebunden sind, obwohl der Vertrag mit der Gemeinde Vordernberg abgeschlossen wurde.

Menschenrechtler Tretter verlangte schließlich nach einer Präzisierung bzw. gesetzlichen Regelung des grundrechtlichen Schutzes, damit es im Falle eines rechtswidrigen Handelns durch die privaten Mitarbeiter auch die Möglichkeit gibt, eine Maßnahmenbeschwerde nach dem Sicherheitspolizeigesetz vor den Verwaltungsgerichten zu ergreifen. Angehaltene, die sich in einem besonderen Gewalt- und Rechtsverhältnis befinden, lediglich auf den zivil- und strafrechtlichen Rechtsweg zu verweisen, widerspreche dem menschenrechtlichen Grundsatz einer effektiven Beschwerdemöglichkeit vor einer nationalen Instanz. Auch Schadenersatzansprüche müssen im Wege eines Amtshaftungsverfahrens geltend gemacht werden können.
Das Anhaltezentrum Vordernberg wird am 15. Jänner 2014 eröffnet. Zum ersten Mal bei einem österreichischen Anhaltezentrum wurden nicht hoheitliche Aufgaben an ein Privatunternehmen ausgelagert. Der Auftrag in der Höhe von rund 68 Mio. Euro und einer Mindestlaufzeit von 15 Jahren wurde von der Gemeinde Vorderberg an das Sicherheitsunternehmen G4S vergeben. Das neue Anhaltezentrum Vordernberg bietet bis zu 200 Schubhäflingen Platz.

Die Diskussionsrunde zum Thema „Vordernberg – rechtliche Grenzen der Auslagerung von Sicherheitsaufgaben“ wurde am 13. Jänner 2014 im Rahmen der Menschenrechtsgespräche vom Kompetenzzentrum für Grund- und Menschenrechte der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Lansky, Ganzger + partner (LGP) veranstaltet. Bei den Menschenrechtsgesprächen finden im kleinen, geladenen Kreis aus Politik, Justiz und Verwaltung, Wirtschaft und Medien, Wissenschaft und Zivilgesellschaft Vorträge und Diskussionen hochrangiger Fachleute über aktuelle menschenrechtliche Fragen, Entwicklungen und Herausforderungen statt. Das Kompetenzzentrum ist seit seiner Gründung 2009 in einer Vielzahl von Verfahren und Projekten aktiv.

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