Update: Medienrecht - Gerald Ganzger im Horizont
‚Stinkefinger‘: Meinungsäußerungsfreiheit vs. Urheberrecht

Das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit ist nicht schrankenlos. Eine Abwägung zwischen Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und den Rechten dritter Personen andererseits ist stets im Einzelfall vorzunehmen. Dies gilt nicht nur in Bezug auf das Recht auf Ehre, beispielsweise bei Äußerungen, die eine üble Nachrede oder eine Ehrenbeleidigung darstellen, sondern auch bei Urheberrechts verletzungen, wenn ein Werk, beispielsweise ein Foto, ohne Zustimmung des Urhebers beziehungsweise des Rechteinhabers, veröffentlicht wird.
Mit dem Spannungsfeld zwischen Meinungsäußerungsfreiheit und Urheberrecht musste sich der OGH vor Kurzem beschäftigen. Anlassfall war eine Klage der Klubobfrau des Grünen Klubs im Parlament, Sigrid Maurer, gegen die FPÖ. Sigrid Maurer ließ ein Foto, auf dem sie, ein Sektglas in der einen Hand haltend, mit der anderen Hand den Stinkefinger zeigt, anfertigen. Dieses Foto wurde als Reaktion und „Antwort“ auf Hassnachrichten gegen Maurer angefertigt. Der Fotograf hat ihr die alleinigen Werknutzungsrechte übertragen. Die FPÖ hat, ohne Zustimmung von Maurer oder des Foto grafen, das Foto verändert und be schnitten und in ein FacebookPosting eingebettet, mit welchem Maurer völlig unrichtig unterstellt worden sei, dass sie „die Grünen Rentner ins ,Pfandl‘ treiben wollen“.Der OGH verneinte bei dieser Veröffentlichung der FPÖ die Zulässigkeiteines „Bildzitats“. Das ohne Zustimmung verwendete Foto hatte mit dem Thema des Facebook Postings überhaupt nichts zu tun. Der OGH verwies darauf, dass „für die Zulässigkeit der Veröffentlichung der Lichtbilder als Bildzitat Voraussetzung ist, dass das in den Berichten je weils wiedergegebene Bild Zitat und Belegfunktion hatte und nicht nur dazu diente, die Berichterstattung zu illustrieren, um so die Aufmerksamkeit der Leser:innen auf den Bericht zu lenken“.
Dementsprechend ist die Verwendung eines Fotos ohne Zustimmung der Rechteinhaber nur dann rechtskonform, wenn sich die jeweilige Veröffentlichung mit dem Foto selbst inhaltlich auseinandersetzt. Eine rein illustrierende Nutzung ist nicht gestattet und auch nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Der OGH unterstrich mit dieser Entscheidung erneut, dass zulässige Bildzitate an ganz konkrete Voraussetzungen geknüpft sind, allen voran muss die Nutzung des zitierten Werks gegenüber den Aussagen des Nutzers akzessorischer Natur sein. Reine Illustrationszwecke rechtfertigen jedenfalls keinen Urheberrechtseingriff.