Update: Medienrecht - Gerald Ganzger im Horizont
Keine Produkthaftung für den Inhalt eines Zeitungsartikels

Eine Abonnentin einer österreichischen Tageszeitung hat den Medieninhaber der Zeitung auf Zahlung von Schmerzengeld geklagt. Anlassfall war kein ehrverletzender oder sonst kreditschädigender Artikel, sondern ein fehlerhafter Gesundheitstipp in der Kolumne eines „Kräuterpfarrers“. Darin wurde zur Linderung von Rheumaschmerzen eine Auflage mit frisch gerissenem Kren empfohlen, die „durchaus zwei bis fünf Stunden oben gelassen werden kann“.
Die Abonnentin hat dieser Behandlungsempfehlung Folge geleistet und die Auflage dann nach bereits drei Stunden wegen zu starker Schmerzen entfernt. Es stellte sich heraus, dass durch die im Kren enthaltenen scharfen Senföle eine toxische Kontaktreaktion eingetreten war. Die Zeitangabe in der Kolumne des „Kräuterpfarrers“ war falsch, anstelle von „zwei bis fünf Stunden“ hätte die Behandlungsdauer „zwei bis fünf Minuten“ betragen müssen. Die Abonnentin forderte von der Zeitung Schmerzengeld und stützte ihre Ansprüche auf das Produkthaftungsgesetz. Der Österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) wandte sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Klärung, ob ein Zeitungsinhaber aufgrund der Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte für die falschen Angaben im Artikel haftbar gemacht werden könnte an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). (HORIZONT hat in der Ausgabe vom 31.7.2020 darüber berichtet). Der EuGH gelangte zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem unrichtigen Ratschlag um eine Dienstleistung, die sich nicht auf die gedruckte Zeitung bezieht, gehandelt hat. Der EuGH führte aus, dass diese Dienstleistung konkret weder die Darbietung noch den Gebrauch dieser Zeitung betrifft. „Folglich gehört diese Dienstleistung nicht zu den der gedruckten Zeitung innewohnenden Faktoren, die als einzige die Beurteilung ermöglichen, ob dieses Produkt fehlerhaft ist.“ Es liegt somit kein Anwendungsfall der verschuldensunabhängigen Haftung für ein fehlerhaftes Produkt vor.
Dieser Entscheidung des EuGH folgend, wies dann der OGH in weiterer Folge die Klage der Abonnentin endgültig ab. Aus diesem Urteil des EuGH, das über den Einzelfall hinaus für die gesamte Printmedienbranche Bedeutung hat, ergibt sich somit, dass bei in Zeitungen enthaltenen fehlerhaften Ratschlägen oder Tipps keine Produkthaftung des Medieninhabers besteht. Diese Entscheidung ist auch eine Stärkung der Medienfreiheit.