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Update: Medienrecht - Gerald Ganzger im Horizont

Haftet eine Zeitung für fehlerhafte Gesundheitstipps?

Update: Medienrecht - Gerald Ganzger im Horizont

Wenn eine Person durch ein fehlerhaftes Produkt einen Schaden erleidet, beispielsweise verletzt wird, haftet der Hersteller des Produkts. Diese Haftung erstreckt sich sowohl auf Körperschäden (vor allem Schmerzensgeld) als auch Sachschäden (über 500 Euro). Diese im Produkthaftungsgesetz geregelte Haftung ist verschuldensunabhängig. Eine solche Haftung kann beispielsweise in einem Material-, Konstruktions- oder Instruktionsfehler begründet sein. Derzeit muss sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg – auf Ersuchen des Österreichischen Obersten Gerichtshofs (OGH) – im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens damit befassen, ob auch der Inhalt einer Zeitung ein Produkt im Sinne des Produkthaftungsgesetzes ist und der Medieninhaber für einen fehlerhaften Zeitungsbeitrag haftet. Anlassfall war die Kolumne eines „Kräuterpfarrers“ in einer Tageszeitung. In der Kolumne wurde zur Linderung von Rheumaschmerzen eine Auflage mit frisch gerissenem Kren empfohlen, die „durchaus zwei bis fünf Stunden oben gelassen werden kann“. Eine Abonnentin jener Tageszeitung hat dieser Behandlungsempfehlung Folge geleistet und die Auflage dann nach bereits drei Stunden wegen zu starker Schmerzen entfernt. Es stellte sich heraus, dass durch die in Kren enthaltenen scharfen Senföle eine toxische Kontaktreaktion eingetreten war, wodurch die Abonnentin verletzt wurde. Sie begehrt nun für diese Verletzungen Schmerzensgeld von der Zeitung, denn die Zeitangabe im Behandlungstipp des „Kräuterpfarrers“ war falsch. Anstelle von „zwei bis fünf Stunden“ hätte es bei der Behandlungsdauer „zwei bis fünf Minuten“ lauten müssen. Wenn der EuGH entscheidet, dass auch der Inhalt einer Zeitung als Produkt im Sinne des Produkthaftungsgesetzes anzusehen ist, wird die Abonnentin in weiterer Folge nicht nur vor den Gerichten hierzulande ihr Schmerzensgeld erhalten – diese Entscheidung kann auch folgenschwere Konsequenzen für österreichische Medien haben. Die Medieninhaber könnten dann generell für falsche Beratungen und Anleitungen in ihren Zeitungen haften, wenn einem Käufer ihrer Medien dadurch ein Schaden, insbesondere am Körper, entsteht. Die Entscheidung des EuGH wird erst in einigen Monaten ergehen. Es empfiehlt sich aber schon jetzt für Medieninhaber, derlei Beratungs- und Anleitungsempfehlungen ganz genau zu kontrollieren – eben auch auf Druckfehler, um solche Haftungen, vor allem für Körperschäden, zu vermeiden.

(Gerald Ganzger im Horizont von 31. Juli 2020)